Alessandro Brief aus dem Gefängnis
Liebe Genoss_innen,
heute habe ich die vierte 5er Reihe geschlossen (IIII). Schon zwanzig Tage sind vergangen seit dem Moment, in dem ich brutal zu Boden geworfen und festgenommen wurde. Viele Menschen hatten solidarisch versuchen, um mir zu helfen, aber das war vergeblich.
Die Polizei hat mich durchsucht, viele, viele Male, aber sie hat lediglich einen Kway gefunden, der an meinem Rucksack hang.
Ein grosser Polizist, ganz nervös, wollte unbedingt ein Geständnis von mir vor der Kamera erpressen. Er wollte meine Schuld mit einem Motorradhelm und mit einer Flasche, die er irgendwo hergeholt hatte, beweisen.
Dann begann ein Walzer der verschiedenen Wannen, der körperlichen Durchsuchung auf der Wache und am Ende die „GeSa”, eine spezielle GefangenenSammelstelle, die eigenes für den G20 gebaut worden war. Sie ist ein altes Lager, bestehend aus verschiedene Containern mit einer Vielzahl kleiner Zellen, beleuchtet ausschließlich mit Neonlicht. Als ich da drinnen war, musste ich micht zuerst vollkommen nakt ausziehen, sogar die Nähte meiner Unterhosennaht haben sie kontrolliert, und sie haben mir meine Uhr und mein Swatshirt weggenommen. Alles im Name der Sicherheit. Dann kam der Alkoholtest. Abschließend haben mich zwei Polizisten fotografiert und in meine Zelle gebracht, links und rechts eingahakt und meine Arme über dem Rucken zusammengepresst (auf diese Weise wurde ich jedes Mal “transportiert”).
Immer im Name der Sicherheit, haben sie mir auch meine Brille und meine Schuhe weggenommen und dann in der Zelle eingeschlossen.
Die Zelle war dunkel, schalldicht, nur mit einer hölzernen Bank und einem Notfallknopf ausgestattet. Ich durfte keinen Anwalt anrufen (erst gegen 4.30 Uhr am nächsten Morgen), und den Anwalt habe ich erst viele Stunden spater gesehen.
Es gab verschiedenen Formen der Misshandlung und des psychologischen Drucks hier. Viele von uns wurdem dem Haftrichter vorgeführt ohne einen Anwalt, der ihnen hätte helfen können. Allerdings hätte das ohnehin nicht viel geholfen, denn die Richter wollten eigentlich nur hören, ob “die Straftat” zugegeben wird oder nicht.
Nach den vielen Stunden in der GeSa begannen die Transporte in die Gefangnisse.
Erste Station: Billwerder. Da bin ich 2,3 Stunden geblieben, dann wurde ich wieder gepackt und in ein anderes Gefängnis gebracht, einen ehemaligen Jugendknast, der extra für zehn Leute von uns geöffnet wurde. Wir waren 23 Stunden am Tag isoliert eingeschlossen, wir hatten nur eine Stunde Umschluss und konnten nichts machen. Über jede Vergünstigung musste der Chef sich erst versichern, ob sie einem zustehe.
Wir durften einen Awalt erst nach 4 Tagen anrufen, und das auch erst nach ständigen Forderungen.
Als fast alle deutschen Genossen wieder entlassen waren, haben sie uns zurück nach Billwerder transportiert. Hier habe ich Orazio getroffen (ich wusste bereits, dass auch er festgenommen war), und ich habe auch die andere Italiener und die andere ausländischen Gefangenen kennengelernt. Hier haben wir einer nach dem anderen die bühnenreifen Nachprüfung durchlaufen: Junge Richter, Männer wie Frauen, offensichtlich nur an ihrer Karriere interessiert, haben allen ausländischen Gefangenen die weitere Haft bestätigt. Mit gesenktem Kopf, um unsere Blicke nicht zu kreuten, haben sie längst gefällte Beschlüsse im Einklang mit der Staatsanwaltschaft abgelesen. In meinem Fall haben sie nicht einmal die Ablehnung der Berufung begründet. Normaleweise ist für Straftaten, wie sie uns vergeworfen werden (eine oder mehrere Flaschenwürfe), nur eine Geldstrafe vorgesehen. Doch nachdem wir es gewagt hatten, gegen eine Gipfel zu protestieren, den die Hamburger nicht wollten, genau wie die Olympiade, und nachdem die Stadt bestimmte Bezirke (St.Pauli, Sternschanze, Altona) in eine Art Belagerungszustand versetzt hat, verspürten die deutsche Autoritaten den Drang, Strafen zu verschärfen. Die Linie von Dudde (Chef der Hamburger Polizei) und seinen Schergen war schon in den Tagen vor dem Gipfel deutlich geworden, als viele Leute auf den – im Übrigen genehmigten – Camps angegriffen und geschlagen worden waren. Gleichwohl hatten diese Angriffe die Leute nicht abgechreckt.
Dann kam der 6. Juli, für den die deutschen Zeitungen “die Ankunft des größten Schwarzen Blocks der Geschichte” angekündigt hatten, und der Aufruhr brach los. Die Truppen von Dudde griffen eine Demonstration mit Pefferspray und Schlagstöcken an, die noch nicht einmal losgegangen war, im Irrglauben, im Anschluss mit ihren 15.000 Kräften die Ordnung in ganz Hamburg aufrechterhalten zu können.
Was dann geschah, habt ihr sebst gesehen. Die Gewalt der deutschen Polizei hat eine Situation zur Explosion gebracht, die bereits aufgeladen war, die Unruheherde haben sich in den verschiedenen Vierteln ausgebreitet.
Die ständige Belagerung der roten Zone und der Hotels, in denen die Mächtigen dieser Welt und ihre Delegationen untergebracht waren, zwangen sie dazu, Hubschraubern und Metro zu benutzen, während in der Stadt “the hell” losbrach.
Es erübrigt sich zu sagen, dass die Polizei für solche Situationen Rache nimmt und mit Repression antwortet. Viele Leute wurden willkürlich eingekesselt, festgenommen und erhielten willkürliche Strafverfahren, überall an den Grenzen wurden Kontrollstellen eingerichtet, in vielen deutschen Städten erhielten Aktivist_innen schon vor dem Gipfel Gefährdeansprachen usw.
Etwa 36 Genoss_innen sind noch im Gefangnis, und es gibt etwa 50 Anzeige gegen die Polizeigewalt der Truppen von Dudde.
Der Gipfel wird für uns alle eine bleibende Erfahrung werden, aber nicht wegen des Gefängnisses, das unseren Ideen und Ideale nichts anhaben kann, sondern weil wir den Mächtigen der Welt eine Party versaut haben, auf der sie in ihren Festungen eine „Demokratie“ inszenieren wollten, die über das Leben unserer Brüder und Schwistern in Migrantion entscheidet und diejenigen verfolgt und einsperrt, die dagegen protestieren.
Mit eurer Unterstüztung und in der Überzeugung, im Recht zu sein, halten wir durch bis zum Ende. Viele der hier Inhaltftierten haben uns gefragt, ob wir wegen des G20 einsitzen, und uns mit einem Lächeln die Hand gegeben. Doch auch für die Gefängnisse und die Inhaftierten gilt: was ist z.B. ein Diebstahl aus der Not, wenn nicht Folge der kapitalistischen Krisenzyklen? Wofür dienen die Gefängnisse, wenn nicht letztlich dem Schutz des Reichtums der Welt und ihrer Besitzer?
Verbunden und solidarisch mit allen den Genoss_innen, die weltweit im Gefängnis sind und so viel von ihrem Leben für Ideale geben, die auch wir teilen,
mit dem Wunsch, euch schon bald wieder zu umarmen und “a pugno chiuso”
Ale
PS. Ein Frage an all die vielen Professoren und Bewunderern der EU: Was nützt die Vorrangstellung des EU-Rechts vor dem Recht der einzelnen Staaten und was nützt es, EU-Bürger zu sein, wenn solche Ungleichbehandlungen möglich sind? Wenn schon dem Besuch deiner Freunde im Gefägnis Probleme bereitet wird, indem, wenn sie Personalausweise und Führerschein vorzeigen, der Reisepass verlangt wird?
Wir haben die Antwort darauf schon vor langer Zeit erhalten!
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